Die Kinder sind die Verlierer

Winterpause im Block-Prozess: Der Fall wirft auch ein Licht auf den Trennungsstreit in unserer Gesellschaft.

Von Eidos Import

Irgendwann im nächsten Jahr wird der Prozess gegen Christina Block vor dem Landgericht Hamburg zu einem Ende kommen. Ein Verfahren, das seit Monaten Schlagzeilen produziert, Kamerateams anzieht, Liveticker füllt und das Privatleben zweier Elternteile bis in die letzten Winkel ausleuchtet. Der Fall hat sich zu einer öffentlichen Bühne entwickelt, auf der jede Geste, jeder Vorwurf, jede Emotion seziert wird. Ein juristisches Verfahren ist zu einem Drama geworden, das alle sehen wollen.

Doch gerade dieser grelle Fokus verstellt den Blick auf das Wesentliche: Der Fall Block ist nicht die Ausnahme in unserer Gesellschaft. Er ist ein Symbol, ein prominenter Ausschnitt aus einer Realität, die sonst im Verborgenen bleibt – und eine viel größere Dimension hat.

In Deutschland erleben jedes Jahr Tausende Kinder Trennungen, die längst nichts mehr mit zivilisierter Auseinandersetzung zu tun haben. Fachleute sprechen von „hochstrittigen Fällen“, doch dieser Begriff klingt viel zu technisch für das, was sich tatsächlich abspielt.

Hinter dieser Formulierung verbergen sich Kinder, die jeden Tag damit leben müssen, dass ihre Eltern sich gegenseitig bekämpfen. Eltern, die in Wut, Verletzung oder Kontrollverlust so sehr mit sich selbst beschäftigt sind, dass sie das Wohl ihrer Kinder aus dem Blick verlieren.

Im Fall Block schaut die Öffentlichkeit fasziniert zu – aber in den unzähligen anonymen Fällen, die nie die Öffentlichkeit erreichen, ist der Schmerz derselbe. Kinder, die in solche Konflikte hineingezogen werden, tragen die Folgen oft ein Leben lang. Sie werden Zeugen von Anschuldigungen, die sie nicht einordnen können. Sie erleben Loyalitätskonflikte, die kein Kind aushalten sollte. Sie hören, wie Erwachsene, denen sie eigentlich vertrauen müssten, sich gegenseitig zu schlechten Menschen erklären. Im Fall Block geschieht das vor laufenden Kameras, in anderen Familien beim Jugendamt oder am Küchentisch.

Gleichzeitig stellt dieser Prozess die Medien vor eine schwierige Frage: Wo endet berechtigtes öffentliches Interesse – und wo beginnt voyeuristische Neugier? Was muss berichtet werden, um ein komplexes Geflecht aus Macht, Abhängigkeiten und möglichen Straftaten zu verstehen – und was gehört in die Privatsphäre von Menschen, die sich nicht wehren können? Gerade die Kinder sind es, deren psychische Verfassung und Aussagen in den vergangenen Monaten immer wieder öffentlich wurden. Was das mit ihnen macht, fragt kaum jemand. Zum Zeitpunkt der gewaltsamen Entführung waren die Kinder von Christina Block 10 und 13 Jahre alt.

Trotzdem ist die journalistische Aufarbeitung dieses Falls enorm wichtig. Dabei geht es nicht nur um Machenschaften dubioser Sicherheitsfirmen und um eine mögliche Beteiligung von ehemaligen Beamten des Bundesnachrichtendienstes und des Landeskriminalamtes.

Eine zentrale Frage des Prozesses ist, inwieweit sich wohlhabende Menschen ungestraft über Recht und Gesetz stellen können. Die Dimension geht weit über einen Familienkonflikt hinaus. Aber er erinnert uns gleichzeitig an etwas Grundsätzliches: Wenn Erwachsene die Kontrolle verlieren, verlieren vor allem die Kinder.

Irgendwann wird der Prozess gegen Christina Block mit einem Urteil enden. Für viele andere Kinder fällt das Urteil ohne Richter, ohne Medien, ohne Aufmerksamkeit. Sie sind die eigentlichen Verlierer dieser Geschichten. Nicht auf den Titelseiten, sondern zu Hause, hinter geschlossenen Türen. Das wahre Drama spielt sich dort ab, wo niemand hinschaut.

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Erstellt:
21. Dezember 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
22. Dezember 2025, 21:57 Uhr

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