Die nächste Zeitenwende
Deutschland rüstet bei der Drohnenabwehr nach.Gut gewappnet sind wir keineswegs.
Von Eidos Import
Nato-Generalsekretär Mark Rutte warnte unlängst bei einem Besuch in Berlin: „Wir sind Russlands nächstes Ziel!“ Das mag alarmistisch klingen. Tatsächlich befinden wir uns bereits im Visier Russlands. Davon zeugen hybride Angriffe bei denen offenbar Wladimir Putin die Finger im Spiel hat. Er nutzt dazu auch Drohnen, die zuletzt gehäuft über Flughäfen und Anlagen der kritischen Infrastruktur gesichtet worden sind. Laut Bundesinnenminister Alexander Dobrindt gibt es Hinweise, dass sie „zum Teil von der russischen Schattenflotte“ gesteuert werden. Bisher ist Deutschland nur ungenügend dagegen gewappnet. Doch das ändert sich gerade.
Am Mittwoch hat Dobrindt in Berlin ein nationales Drohnenabwehrzentrum installiert. Polizei, Bundeswehr und die Nachrichtendienste arbeiten dort zusammen. Erprobt ist diese Kooperation über Zuständigkeiten und föderale Ebenen hinweg bei der Terrorabwehr. An diesem Donnerstag befasst sich zudem der Bundestag mit einer Reform des Luftsicherheitsgesetzes. Sie schafft eine Rechtsgrundlage für den Einsatz der Bundeswehr gegen feindliche Drohnen.
„Die Politik kommt jetzt ins Handeln“, sagt dazu ein Experte in Sachen unbemannter Flugobjekte. Der Satz verweist auf ein Versäumnis, das nun durch vielseitige Maßnahmen korrigiert wird. Dazu ist es allerhöchste Zeit. Drohnen wurden allzu lange als Spielzeug verkannt, mit allenfalls lästigen Nebeneffekten. Sie sind aber längst auch Hilfsmittel für Spionage, Sabotage und Kriegswerkzeug – als solches zum Beispiel in der Ukraine von eminenter Bedeutung. Nun tauchen sie auch weit hinter den Frontlinien mitten im friedlichen Europa als Vehikel hybrider Kriegsführung auf.
Fast täglich registriert das Bundeskriminalamt Hinweise auf suspekte Drohnenflüge über Deutschland. Mehr als 1000 waren es schon in diesem Jahr – eine verdächtige Zunahme verglichen mit der Zeit vor Beginn des Ukrainekrieges. Alles nur Zufall? Auch der Umstand, dass solche Drohnen vor allem über Flughäfen, Kasernen, Krankenhäusern und Kraftwerken kreisen? Der Bundesinnenminister sagt dazu: „Wir befinden uns in einem Stresstest – ob der Staat den äußeren Bedrohungen standhalten kann.“
Bei der Ortung und Abwehr von Drohnen gibt es erheblichen Nachholbedarf. Zuständigkeiten müssen neu geregelt, Kommunikationswege vereinfacht, Entscheidungen beschleunigt und Sicherheitsbehörden nachgerüstet werden. Die ersten Schritte sind nun getan. Doch Deutschland hat die neuentdeckten Gefahren aus der Luft noch keineswegs im Griff. Die Polizei der Länder ist damit häufig überfordert, zumal es sich in Teilen um militärisches Gerät handelt. Die Polizei kann nicht flächendeckend alle heiklen Örtlichkeiten überwachen.
Es gäbe vernünftige Gründe, die Kompetenzen dafür bei der Bundespolizei zu bündeln – was den Aufbau eines dezentralen Drohnenabwehrnetzwerks unter Regie der Bundesländer nicht ausschließt, wie es in Baden-Württemberg bereits geschieht. Ein Abschuss verdächtiger Flugobjekte durch die Bundeswehr wäre in vielen Fällen überzogen oder auch riskant. Das nötige Instrumentarium ist weitaus differenzierter – kostet aber Geld.
Die hybride Kriegsführung ist nicht auf Drohnenflüge beschränkt. Sie umfasst auch gezielte Sabotageakte und Hackerangriffe. All dies dient nur einem Zweck: der Verunsicherung. Ängste schüren Unmut – was unsere Gesellschaft destabilisieren soll. Zumindest die Motivationslage und das Kalkül der Angreifer ist durchschaubar. Das gilt nicht immer für Mittel, Helfershelfer und Hintermänner, derer sie sich bedienen.
