Ein Krisentreffen ohne echtes Ergebnis

Der Lenkungskreis berät unter Vorsitz der Bahnchefin Evelyn Palla die verfahrene Situation bei Stuttgart 21. Klar ist eigentlich nur, dass vieles im Unklaren ist.

Stuttgart 21 und kein Ende: Auch nach der Krisensitzung mit Bahnchefin Evelyn Palla ist der weitere Zeitplan offen.

© Lichtgut/Max Kovalenko

Stuttgart 21 und kein Ende: Auch nach der Krisensitzung mit Bahnchefin Evelyn Palla ist der weitere Zeitplan offen.

Von Christian Milankovic

Stuttgart - Stuttgart 21 bleibt ein Vorhaben mit vielen Fragezeichen. Nach dem Debakel um das neuerliche Eingeständnis der Bahn, den neuen Bahnhof und die langen Tunnelstrecken unter Stuttgart auch im Dezember 2026 nicht in Betrieb nehmen zu können, hat die Sondersitzung des Lenkungskreises, in dem Vertreter von Bahn, Land, Stadt und Region zusammen gekommen, am Montag keine neuen Erkenntnisse gebracht. Mit dem Terminplan will sich die Bahn Zeit lassen.

Das Personaltableau hat den Ernst der Lage widergespiegelt. Mit Bahnchefin Evelyn Palla und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) waren zwei Projektpartner mit Spitzenpersonal zugegen, das sonst nicht am Lenkungskreis teilnimmt. Viel Zeit haben die gut gefüllten Terminkalender nicht hergegeben. Die Sitzung am Stuttgarter Flughafen begann um 11 Uhr, um 12.45 Uhr trat die Runde bereits vor die Medien.

Wir wollen lückenlose Transparenz herstellen. Die Menschen in Stuttgart verdienen nichts anderes. Evelyn Palla , Bahnchefin

Evelyn Palla sah ihre Beteiligung als vertrauensbildende Maßnahmen. „Wir wollen lückenlose Transparenz herstellen. Die Menschen in Stuttgart verdienen nichts anderes“. Niemand sei glücklich mit der eingetretenen Situation. Ein 15-köpfiges Team der Bahnrevision durchleuchtet nun die Arbeit der Projektgesellschaft (PSU). Dass Michael Pradel, bisher Teil der Geschäftsführung der PSU, nun das Unternehmen verlässt, sei aber kein erstes Ergebnis dieses Überprüfung. Palla lobte Pradels bisherige Arbeit. Er wechselt zur DB-Tochter Infrago. Von dort kommt auch sein Nachfolger: Klaus Müller, bei Infrago bisher Vorstand Digitale Infrastruktur. An dieser Digitalisierung kranke derzeit die Umsetzung von Stuttgart 21. Mehrfach erwähnte Palla den Zulieferer Hitachi aus Ditzingen, wollte das aber nicht „Fingerpointing“ verstanden wissen.

Der Zulieferer, der die nötige Technik für den Digitalen Knoten Stuttgart (DKS) liefert, selbst kann sich aber wegen einer Verschwiegenheitsklausel dazu nicht öffentlich äußern – und die Bahn hält diese Regelung auch weiterhin aufrecht. Erst wenn die Revision ihre Arbeit beendet hat, werde es ein neues Inbetriebnahmekonzept geben. Das soll Ende Juni oder Anfang Juli 2026 der Fall sein, so Palla. Man schließe keinen Inbetriebnahmetermin aus, aber „ein Termin vor Ende 2027“, sei aus ihrer Sicht aber kaum denkbar.

Ministerpräsident Kretschmann, OB Frank Nopper und Regionalpräsident Rainer Wieland lobten die offene Atmosphäre – und Pallas Zusage, erst wieder einen Termin zu nennen, wenn der auch auf verlässlicher Basis beruht. Kretschmann sagte, es gebe „einen Vertrauensvorschuss für Frau Palla“. Man benötige nun aber eine „ehrliche Bestandsaufnahme“.

OB Frank Nopper hob hervor, dass die Gäubahn, die im Laufe der Arbeiten unterbrochen werden soll, nun länger als bisher geplant in den Kopfbahnhof fahren werde. Zudem forderte er, dass die langen Wege zwischen Stadt und Gleisen während der sich nun weiter verlängerten Bauzeit nochmals kritisch überprüft werden.

Bahn will Sperrungen überprüfen

Regionalpräsident Rainer Wieland sagte, dass die Bahn nochmals die Sperrpausen, also jene Phasen in denen Baustellen die S-Bahnen und andere Züge ausbremsen, überprüfen werde. Insgesamt plädierte er dafür „weniger in den Rückspiegel als in die Zukunft zu schauen“. Mit Blick auf die Digitalisierung sagte Wieland, dass jene in der Bahn, die nicht voll hinter dem Projekt stehen, wohl besser einen anderen Posten übernehmen sollten. Fast ein Jahr lang hielt die Deutsche Bahn die Projektartner hin, als es um die Umsetzung des dritten Bausteins des DKS ging.

Unterdessen fordern der Landesnaturschutzverband (LNV), der Verkehrsclub Deutschland (VCD) und der Fahrgastverband Pro Bahn an einer abgespeckten Eröffnung im Dezember 2026 festzuhalten. Dort sollen dann zwei Gleise für Fernzüge auf der Verbindung Mannheim-Ulm in Betrieb gehen. Dadurch würden der Kopfbahnhof und die Strecke von Stuttgart bis Plochingen spürbar entlastet.

S-21-Gegner unterstützen Bahnchefin

Im Gegensatz dazu und wohl einmalig in der langen Projektgeschichte stärken die im Aktionsbündnis gegen Stuttgart21 zusammengeschlossenen Projektkritiker der Bahnchefin den Rücken. In einem Brief an Palla heißt es, deren Entscheidung die für Dezember 2026 geplante Teileröffnung zu kippen, sei richtig gewesen. „Folgerichtig müsste nun ein sofortiger Baustopp verkündet werden, bis – gerne mit unserer fachkundigen Unterstützung – die Probleme analysiert und Lösungen gefunden sind. Nach unserer sicheren Überzeugung wird der Kopfbahnhof erhalten bleiben müssen.“

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Erstellt:
15. Dezember 2025, 22:08 Uhr
Aktualisiert:
16. Dezember 2025, 21:43 Uhr

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