Firmen im Rems-Murr-Kreis bleiben beim Homeoffice

Für Unternehmen in der Region hat sich die Pandemie als Motor für die Ausweitung neuer Arbeitsformen erwiesen. Das mobile Arbeiten findet bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen große Akzeptanz.

Rund um das Thema „mobiles Arbeiten“ haben Unternehmen während der Pandemie viel gelernt. Symbolfoto: stock.adobe.com/Jacob Lund

© Jacob Lund - stock.adobe.com

Rund um das Thema „mobiles Arbeiten“ haben Unternehmen während der Pandemie viel gelernt. Symbolfoto: stock.adobe.com/Jacob Lund

Von Simone Schneider-Seebeck

Oppenweiler. „Wir arbeiten modern, da ist alles möglich“, sagt Andreas Engelke, Leiter Corporate Human Resources bei Murrelektronik in Oppenweiler. Gerade ist eine sechswöchige Anwesenheitsphase in der Firma zu Ende gegangen. „Wir haben diese Anwesenheitsphase genutzt, um einige Workshops durchzuführen, um mit den Mitarbeitern zu besprechen, wie es denn so gelaufen ist – wie war es mit der Abwesenheit und wie hat es geklappt, wieder da zu sein? Wir wollen das Beste für den Erfolg der Murrelektronik und für die Sicherung der Arbeitsplätze aus beiden Welten mitnehmen und verbinden“, erläutert der Personalchef.

Dabei werden die Rückmeldungen der Mitarbeiter bei zukünftigen Planungen berücksichtigt. So habe man nun ein neues Modell erarbeitet, das in den Startlöchern stehe, das aktivitätsorientierte Arbeiten. Dabei bespricht die Führungskraft mit den einzelnen Mitarbeitern des Teams, welche anstehenden Aufgaben an welchem Platz am effizientesten ausgeführt werden können. „So wird der für die Firma und den Mitarbeiter effektivste Arbeitsplatz gewählt“, so Engelke. Ein Vorteil sei, dass der Austausch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter intensiver werde.

Austausch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärkt Gemeinschaftsgefühl

Die Rückmeldungen seien bisher sehr positiv, denn durch diesen intensiven Austausch werde auch das Gemeinschaftsgefühl untereinander gefördert, wenn gemeinsam die passenden Lösungen für die Geschäftsprozesse herausgearbeitet werden. Selbstverständlich hänge der Einsatz des mobilen Modells auch vom Arbeitsplatz ab, doch generell habe sich durch die Pandemie gezeigt, dass Erfolg versprechende neue Arbeitsformen entwickelt werden müssen. Ein mutiger Schritt, wie auch Silke Boysen-Korya, Marketingleiterin des Unternehmens in Oppenweiler, findet: „Umzudenken, das ist das Ziel! Mit wem muss ich wann und wie in Kontakt sein?“ Denn nicht nur innerhalb einer Abteilung, auch mit den anderen Abteilungen muss man sich regelmäßig absprechen, sofern Schnittstellen vorhanden sind. Das mobile Arbeiten wird freiwillig angeboten. Doch Andreas Engelke ist sich sicher – es ist ein wichtiger Schritt, um zum überregionalen Wunscharbeitgeber zu werden, denn: „Wir messen Ergebnisse, nicht Anwesenheit.“

Die flexible Nutzung des Homeoffice-Angebots hat sich gut etabliert

Aktuell nutze noch über die Hälfte der Mitarbeiter zumindest teilweise die Möglichkeit des mobilen Arbeitens, so Jürgen Beerkircher, Vorstandsvorsitzender der Volksbank Backnang. „Die Mitarbeiter stimmen sich in den einzelnen Teams und Bereichen ab, wer wann mobil arbeitet“, erklärt Beerkircher. Bis zu zwei Tage in der Woche könne man das mobile Arbeiten nutzen, aber wie diese Zeit aufgeteilt werde, das bleibe den Mitarbeitern überlassen. Das habe sich gut etabliert. Dennoch dürfe man den Wert des persönlichen Gesprächs zwischen den Mitarbeitern nicht außer Acht lassen. „Wenn das fehlen würde, dann fehlt auch eine gewisse Kreativität, die daraus entsteht“, ist Beerkircher überzeugt.

Es werde jedoch nicht mit weniger Arbeitsplätzen vor Ort geplant, auch wenn manche Plätze durch das mobile Arbeiten aufgeteilt werden können. „Ganz ins Homeoffice zu gehen können wir uns nicht vorstellen“, so der Volksbankchef. „Doch das Medium können wir zukünftig sinnvoll einsetzen. In der Kundenberatung wird die Videoberatung auch gut angenommen, aber der persönliche Kontakt wird auch weiterhin sehr gut geschätzt.“

In der Pandemie konnten viele neue Erfahrungen gesammelt werden

Beim Maschinenbauer Harro Höfliger in Allmersbach im Tal wurde bereits vor der Pandemie mobiles Arbeiten angeboten. Knapp 500 Mitarbeiter hatten damals die Berechtigung dafür gehabt, bis zu 20 Prozent mobile Arbeit war je nach Situation pro Monat möglich gewesen. Während der Pandemie nutzten über 50 Prozent das mobile Arbeiten. „Wir haben extrem viele Erfahrungen gesammelt, die wir nun umsetzen möchten“, sagt Personalleiter Uwe Amann. In einer Abteilung wurde nun ein Pilotprojekt durchgeführt, bei dem bis zu 40 Prozent mobiles Arbeiten zugelassen war. Über ein Raumbuchungssystem konnte man sich seinen Arbeitsplatz reservieren. „Das war sehr erfolgreich. Man hat weitere Erfahrungen gesammelt.“

Nun werde dieses Projekt auf weitere Bereiche ausgerollt, um auszutesten, wie es in welchem Bereich ideal eingesetzt werden könne. „Auch in Zukunft möchten wir mobil arbeiten lassen“, so Amann. „Heute gehört das zu einem modernen und attraktiven Unternehmen dazu. Zudem bietet es viel Flexibilität.“

Trotz wachsender Mitarbeiterzahl entzerre sich die Parkplatzsituation

Neben der Ausweitung des Raumbuchungssystems sollen zukünftig gewisse Flächen für bestimmte Arbeitsweisen definiert werden. „Harro Höfliger wird ein Präsenzunternehmen bleiben“, betont der Personalleiter. „Ganz wichtig ist uns auch, die für uns passende Balance zwischen Präsenz und mobilem Arbeiten zu finden.“ Aufgrund der Möglichkeit, teilweise zu Hause zu arbeiten, entzerre sich auch die Parkplatzsituation, trotz wachsender Mitarbeiterzahl. Die neuen Erkenntnisse sollen im Neubau des Unternehmens in den Backnanger Lerchenäckern bei der Gestaltung der Räume mit einfließen. „Da konnten wir die Erkenntnisse genau zum richtigen Zeitpunkt gewinnen.“ Uwe Amann ist überzeugt, dass dies auch zur Attraktivitätssteigerung der Firma beitragen wird, was sich dann positiv auf die Anwerbung von Fachkräften auswirkt.

Für Markus Beier, Leitender Geschäftsführer der IHK Region Stuttgart, Bezirkskammer Rems-Murr, ist das Angebot der mobilen Arbeit ganz eindeutig ein Pluspunkt bezüglich der Unternehmensattraktivität. Seiner Erfahrung nach wolle kaum eine Firma ganz zurück in die alten Arbeitsmodelle. Die meisten Unternehmen hätten gute bis sehr gute Erfahrungen mit dem mobilen Arbeiten gemacht, die Mitarbeiter schätzten die Flexibilität. „In unterschiedlichen Abstufungen wird die mobile Arbeit bleiben“, ist Markus Beier überzeugt. Vor allem ein bis zwei Tage kämen häufig vor. „Die meisten Arbeitgeber legen Wert auf eine anteilige Präsenzarbeit, weil sich manches zu Hause nicht aufrechterhalten lässt, etwa der Teamspirit.“ Manche Firmen böten extra wegen des internen Austauschs einen Teamtag an.

Dennoch habe auch die Mitarbeiterführung über Distanzen hinweg sehr gut funktioniert. Die digitalen Möglichkeiten bieten zudem für Arbeitnehmer und Arbeitgeber Vorteile: Einerseits sparen Firmen Reisekosten, andererseits gehört das mobile Arbeiten mittlerweile für viele Fachkräfte auch dazu. „Wer das nicht anbietet, wird über kurz oder lang im Nachteil sein“, so Markus Beier.

Homeoffice und mobiles Arbeiten

Mobiles Arbeiten „Mobiles Arbeiten“, nicht Homeoffice – auf diese Unterscheidung wird in einigen Firmen großer Wert gelegt. Das mobile Arbeiten beinhaltet vor allem, dass nicht an einem festgelegten Arbeitsplatz gearbeitet wird. So kann sich dieser zum Beispiel irgendwo im Unternehmen befinden oder eben auch zu Hause. Zudem wird das mobile Arbeiten freiwillig angeboten, niemand ist verpflichtet, es zu nutzen.

Branchenabhängig Laut Statistischem Bundesamt waren 2021 knapp 25 Prozent aller Beschäftigten zumindest zum Teil im Homeoffice tätig. Dies hängt auch von der Branche ab. Etwa 76 Prozent der Beschäftigten in der Informationstechnologie konnten von zu Hause aus arbeiten, bei der Unternehmensberatung, Unternehmensführung und Verwaltung waren es etwa 71 Prozent. Beim Gesundheitswesen dagegen konnten nur etwa fünf Prozent die mobile Arbeit nutzen, im Einzelhandel waren es ebenso wie beim Baugewerbe um die acht Prozent. Zum Vergleich – im Jahr 2017 arbeiteten nur elf Prozent aller Beschäftigten außerhalb des Unternehmens.

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Erstellt:
5. August 2022, 06:00 Uhr

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