Gaspreisbremse gleicht Preiserhöhung in Backnang aus

Die Stadtwerke Backnang erhöhen die Verbrauchspreise für Erdgas zum 1. Januar 2023 noch einmal deutlich. Dank der angekündigten Gaspreisbremse übernimmt die Mehrkosten allerdings zum größten Teil der Staat.

Geschäftsführer Thomas Steffen im Gaswerk der Stadtwerke Backnang. Von hier aus werden mehr als 6000 Haushalte in Backnang und sechs Umlandgemeinden mit Erdgas versorgt.Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Geschäftsführer Thomas Steffen im Gaswerk der Stadtwerke Backnang. Von hier aus werden mehr als 6000 Haushalte in Backnang und sechs Umlandgemeinden mit Erdgas versorgt.Foto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Wirklich überrascht hat dieser Brief wohl kaum noch jemanden: In den vergangenen Tagen haben die Stadtwerke Backnang (SwBK) rund 3300 Gaskunden mitgeteilt, dass sich der Verbrauchspreis ab Januar 2023 noch einmal deutlich erhöhen wird, und zwar um 8,26 Cent pro Kilowattstunde. Bereits im April hatten die Stadtwerke die Preise für Erdgas fast verdoppelt. Im Gespräch mit unserer Zeitung beantwortet Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Steffen die wichtigsten Fragen.

Wie viel kostet Erdgas bei den Stadtwerken Backnang ab 1. Januar 2023?

Das hängt vom jeweiligen Tarif ab. Im Grundversorgungstarif, der auch Neukunden angeboten wird, sind nun 22,69 Cent pro Kilowattstunde fällig. Bei bestehenden Verträgen mit längerer Laufzeit sind es ein bis zwei Cent weniger. Innerhalb eines Jahres hat sich der Verbrauchspreis bei den Stadtwerken Backnang nun mehr als verdreifacht: Vor einem Jahr lag er noch bei knapp sieben Cent pro Kilowattstunde. Nicht erhöht wurde hingegen der Grundpreis. Er liegt im Grundversorgungstarif weiterhin bei 13,38 Euro pro Monat.

Machen die Stadtwerke jetzt mehr Gewinn?

„Nein“, sagt Thomas Steffen. „Wir haben unsere Margen auf das Notwendigste heruntergefahren.“ Der Preisanstieg sei einzig und allein auf die höheren Beschaffungskosten infolge des Ukrainekriegs zurückzuführen. Diese hatten sich im vergangenen Jahr von zwei Cent auf zwischenzeitlich über 30 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Mittlerweile sind die Einkaufspreise wieder gefallen und liegen bei etwa 14 Cent.

Warum gibt es günstigere Anbieter?
Ein Vergleich zeigt momentan deutliche Preisunterschiede. So verlangt etwa die EnBW in ihrem Grundversorgungstarif nur 13,54 Cent pro Kilowattstunde, auch die Stadtwerke in Fellbach (14,25 Cent) und Waiblingen (16,88 Cent) sind deutlich günstiger als die in Backnang. In Murrhardt ist das Gas hingegen noch teurer: Hier müssen die Kunden ab Januar mehr als
24 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Entscheidend für die Preisgestaltung ist laut Thomas Steffen der Zeitpunkt, zu dem die Energieversorger ihr Gas eingekauft haben. Aufgrund der gewaltigen Preisschwankungen konnte man dabei Glück oder Pech haben. Die SwBK mussten laut Steffen über den Sommer Gas zu höheren Preisen nachkaufen. Diese Mehrkosten müsse man nun an die Kunden weitergeben.

Was gilt im Dezember?

Zu den von der Bundesregierung beschlossenen Entlastungen gehört, dass der Staat die Abschlagszahlungen für den Monat Dezember übernimmt. „Wir werden von unseren Kunden im Dezember kein Geld einziehen“, kündigt Thomas Steffen an. Wer per Dauerauftrag bezahlt, kann diesen im Dezember aussetzen. Wer das vergisst, muss allerdings nicht befürchten, dass er Geld verliert, denn bei der Schlussrechnung werde genau ein Zwölftel des Jahresbetrags von der Rechnung abgezogen. Daher macht es auch keinen Sinn, seine Abschlagszahlung vorher noch anzuheben. Der staatliche Zuschuss erhöht sich dadurch nicht.

Wie wirkt die Gaspreisbremse?

Ab Januar soll die neue Gaspreisbremse in Kraft treten. Dann wird der Verbrauchspreis für Endkunden auf zwölf Cent pro Kilowattstunde gedeckelt. Was darüber hinausgeht, übernimmt der Staat. Für SwBK-Kunden heißt das je nach Tarif, dass sich der Betrag, den sie selbst bezahlen müssen, ab Januar kaum verändert oder sogar leicht reduziert. Die Stadtwerke empfehlen deshalb auch, den aktuellen Abschlag vorerst beizubehalten. Allerdings gilt dieser Preisdeckel nur für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. So sollen die Verbraucher zum Energiesparen motiviert werden. Wem es nicht gelingt, seinen Verbrauch um 20 Prozent zu reduzieren, zahlt für jede Kilowattstunde, die darüberliegt, den vollen Preis.

Wie klappt die Umsetzung?

Da lange nicht klar war, wann die Gaspreisbremse kommt und wie sie genau funktioniert, konnten die Energieversorger sich noch nicht darauf vorbereiten. „Unser IT-Dienstleister muss nun unser Abrechnungsprogramm entsprechend anpassen“, erklärt Thomas Steffen. Ob das schon bis Januar klappen wird, ist noch unklar. Sollte das Programm zum Jahresbeginn noch nicht einsatzbereit sein, werde man die anstehenden Jahresrechnungen eben um ein paar Wochen verschieben, kündigt Thomas Steffen an. Die Abschlagszahlungen laufen ohnehin erst einmal unverändert weiter.

Welche Probleme gibt es?

Die Bestimmung des sogenannten Grundverbrauchs, für den der Gaspreisdeckel gilt, könnte in bestimmten Fällen für Ärger sorgen, zum Beispiel wenn Mieter oder Eigentümer wechseln. Zieht zum Beispiel eine Familie in eine Wohnung, in der vorher eine alleinstehende Person gelebt hat, bekommt sie den vergünstigten Preis nur für 80 Prozent des – möglicherweise deutlich niedrigeren – Verbrauchs ihres Vormieters. „Für solche Fälle müsste es eine Härtefallregel geben“, findet der Stadtwerke-Chef. Unklar ist bislang auch noch, wie der Grundverbrauch bei Neubauten berechnet wird, für die es noch keine Erfahrungswerte aus der Vergangenheit gibt.

Reicht das Gas für den Winter?

Die Gasspeicher sind zwar voll, trotzdem ist Thomas Steffen noch nicht völlig entspannt. „Wenn eine richtige Kältewelle über mehrere Wochen käme, könnten wir Probleme bekommen“, warnt der Stadtwerke-Chef. Denn dann könnte man das Gas möglicherweise gar nicht so schnell ausspeichern, wie es benötigt wird. Auch die SwBK mussten deshalb eine Reihenfolge festlegen, in der sie in einem solchen Fall zunächst gewerblichen Großkunden den Gashahn zudrehen würden. „Diese Liste liegt in der Schublade und da bleibt sie hoffentlich“, sagt der Geschäftsführer.

Sind weitere Erhöhungen geplant?

Nein. Die Stadtwerke Backnang haben die Gasmenge, die sie für das Jahr 2023 benötigen, bereits vollständig eingekauft. Weitere Erhöhungen während des Jahres schließt Thomas Steffen daher aus. Für 2024 rechnet er mit sinkenden Preisen, da Deutschland gerade dabei ist, seine Infrastruktur etwa durch den Bau von Flüssiggasterminals der neuen Situation anzupassen. Der Stadtwerke-Chef vermutet, dass sich die Preise mittelfristig im Bereich von zwölf Cent pro Kilowattstunde einpendeln werden, sodass der Preis nach dem Auslaufen des Gaspreisdeckels im April 2024 konstant bliebe.

Wie fällt das Fazit aus?

Er sei froh über die Gaspreisbremse, sagt Thomas Steffen: „Es war wichtig, dass die Haushalte spürbar entlastet werden.“ Allerdings hat sich die Regierung für seinen Geschmack etwas zu viel Zeit damit gelassen. So hätten die angekündigten Preiserhöhungen bei den Kunden für unnötige Aufregung gesorgt, weil noch nicht klar war, wann und wie die Entlastungen greifen. „Wir hätten das gerne früher kommuniziert“, sagt Steffen. Nun müsse man die Kunden noch ein zweites Mal anschreiben.

Zum Artikel

Erstellt:
25. November 2022, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Zeigt die Wildtierkamera einen Wolf?

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg untersucht derzeit die Aufnahmen eines Tiers, die am Mittwoch auf der Gemarkung des Sulzbacher Teilorts Bartenbach entstanden sind. Vor Abschluss der Untersuchung hüllen sich die Experten in Schweigen.

Stadt & Kreis

Aus Abfall entstehen Strom und Wärme

Energiewende vor der Haustür (5) Die Biovergärungsanlage der AWRM in Backnang-Neuschöntal verwertet Bioabfall aus dem Kreis und gewinnt daraus Energie. Der Strom der Anlage deckt den Jahresbedarf von etwa 3000 Haushalten.