Mehr Schutz für Streifenpolizisten

Bodycams sind nun auch im Rems-Murr-Kreis im Einsatz – Polizeipräsident: Aufnahmen erfolgen nur in einer Gefahrenlage

Wenn eine Situation außer Kontrolle gerät, sollen Körperkameras Polizisten helfen, die Vorfälle zu dokumentieren. Zudem haben die sogenannten Bodycams auf gewaltbereite Personen eine abschreckende Wirkung. Seit Montag kommen die Minikameras auch im Rems-Murr-Kreis zum Einsatz. Polizeipräsident Roland Eisele stellte sie gestern in Backnang vor.

Dominik Englmann und seine Kollegen im Polizeirevier Backnang wurden mit zehn Bodycams ausgestattet. Jede Streifenwagenbesatzung hat nun eine Kamera mit dabei. Mit einem Knopfdruck werden die Geräte eingeschaltet. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Dominik Englmann und seine Kollegen im Polizeirevier Backnang wurden mit zehn Bodycams ausgestattet. Jede Streifenwagenbesatzung hat nun eine Kamera mit dabei. Mit einem Knopfdruck werden die Geräte eingeschaltet. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Mit einem Handgriff ist die kleine Kamera auf Dominik Englmanns Schulter aktiviert. Ein lautes Piepsen ertönt, ein Lämpchen leuchtet auf. Der Polizeioberkommissar hat das Pre-Recording aktiviert. Eine Minute lang nimmt die Körperkamera nun alles aus seiner Sicht auf – im Weitwinkel, in Full-HD-Qualität. Einen Nachtmodus gibt es nicht, das Gerät soll Situationen so festhalten, wie der Träger sie auch erlebt. Stellt sich die Situation als irrelevant heraus, stoppt die Kamera nach Ablauf der Minute automatisch, die Sequenz wird dann gelöscht. Um weiter aufzuzeichnen, ist vonseiten des Polizisten ein zusätzlicher Handgriff nötig. Erneut ertönt ein Piepsen, das grüne Lämpchen blinkt nun rot. „In der Regel sagen die Beamten Bescheid, wenn sie aufzeichnen“, erklärt Polizeipräsident Roland Eisele. Nun könne es natürlich sein, dass die Einsatzkräfte mitten in eine unübersichtliche Situation hineingeraten, oder die involvierten Personen etwa nach übermäßigem Drogen- oder Alkoholkonsum nicht mehr richtig ansprechbar sind – dann dürfen sie auch unwissentlich gefilmt werden.

Zehn Minikameras sind

in Backnang im Einsatz

Eisele verspricht sich durch den Einsatz der Kameras einen zusätzlichen Schutz für die Polizisten. „Sie sollen vor allem präventiv wirken, nicht repressiv“, erklärt er. In anderen Revieren habe man positive Erfahrungen damit gemacht. Denn, das macht der Polizeipräsident unmissverständlich klar, die Fallzahl der Straftaten, bei denen Polizisten verletzt wurden, sind seit Jahren steigend. „Das zeugt von einer hohen Aggressionsbereitschaft gegenüber den Beamten“, sagt Roland Eisele. Das sei ein bundesweit erkennbarer Trend.

Als eines der letzten Präsidien in Baden-Württemberg hat nun also auch das Polizeipräsidium Aalen, das auch für den Rems-Murr-Kreis zuständig ist, die Bodycams eingeführt – jetzt sind landesweit alle Reviere mit den Kameras ausgestattet. In Backnang sind zehn Geräte im Einsatz. 1,8 Millionen Euro hat das Land in diese Technik investiert, 1350 Geräte wurden angeschafft inklusive der passenden Auswertungstechnik. „Es kostet viel, dem Bürger ist die Sicherheit aber auch immer mehr wert“, so Eiseles Erfahrung. Man habe sich Zeit gelassen mit der flächendeckenden Einführung der Kameras, dafür jetzt auch ein gutes Ergebnis. Denn auch die Bodycams kamen nicht ohne Anlaufschwierigkeiten aus.

Im Einsatz müssen die Kameras einiges aushalten. Die Geräte, die im Rems-Murr-Kreis zum Einsatz kommen, sind deshalb wasserfest, aus bis zu 1,80 Metern sturzsicher, verfügen über zwei Mikrofone, sind gleichzeitig aber auch so leicht, dass sie die Beamten nicht beeinträchtigen. Nachdem es bei der Speicherung der Daten der Bundespolizei in einer Cloud des Anbieters Amazon Kritik hagelte, wird es hierzulande anders gehandhabt. Die Daten würden auf polizeieigenen Servern gespeichert, versichert Eisele. Auch habe niemand außerhalb des jeweiligen Reviers Zugriff auf die Aufzeichnungen.

Vertuschung durch einen

Polizisten ist nicht möglich

Englmann demonstriert die Vorgehensweise der Polizisten: Sobald die Streifenwagenbesatzungen ins Revier zurückkehren, stöpseln sie die Kameras in einer Docking-Station ein. So wird der Akku aufgeladen, gleichzeitig werden aufgenommene Daten übertragen. „Der Anwender kann nichts daran verändern“, erklärt der stellvertretende Dienstgruppenleiter. Der sachbearbeitende Kollege ordnet den Vorfall auf der Videosequenz dann ein: Ist etwas strafrechtlich Relevantes darauf zu sehen, wird das Video entsprechend gespeichert, ansonsten werden die Daten nach 28 Tagen automatisch gelöscht. „Jeder Klick des Beamten wird aufgezeichnet“, versichert Englmann, das System sei somit fälschungssicher. Auch Vertuschung vonseiten eines Polizisten sei nicht möglich – oder bliebe zumindest nicht unbemerkt: „Das Originalvideo steht immer zur Verfügung“ – auch wenn jemand daran Veränderungen vorgenommen oder es gar gelöscht hat. „Das alles wird protokolliert und kann wieder hergestellt werden“, so Eisele.

Zwar betont der Polizeipräsident, dass die Kameras vor allem dem Schutz der Beamten dienen, doch auch Zivilpersonen können die Aufnahmen von Nutzen sein. Beteiligte haben ein Recht darauf, die Filme anzuschauen. Belegen die Aufnahmen ein Fehlverhalten eines Beamten, können die Videos auch im Strafverfahren umgewidmet und gegen die Polizisten zum Einsatz kommen, erklärt Polizeihauptkommissar Sascha Wadowski vom Revier Backnang. Er findet es gar nicht schlecht, wenn die Akteure bestimmte Situationen vorgespielt bekommen. Oftmals behaupteten Angeklagte im Verfahren: „So war ich gar nicht.“ Sehen sie dann im Video ihr eigenes Verhalten, fördere das womöglich die Einsicht, dass man an sich arbeiten muss. Und als Bewertungsgrundlage für Richter seien die Videos auch zuträglich, fügt Eisele an.

Nun müsse aber nicht jeder unbescholtene Bürger argwöhnen, von der Polizei aufgenommen zu werden. „Wer nichts macht, hat nichts zu befürchten“, so Eisele. Die Aufnahme laufe nicht durchgängig, sie werde situativ eingeschaltet. „Der Einsatz erfolgt nur in einer Gefahrenlage.“ Doch wann ist eine Situation gefährlich? „Das schätzen die Kollegen sicher richtig ein“, findet Eisele. Englmann führt aus: „Ein klassischer Fall wäre eine Schlägerei im Bahnhofsbereich. Wenn ich weiß, ich fahre zu zehn aufgebrachten jungen Männern.“ Die Erfahrungen aus Stuttgart zeigten, dass für gewöhnlich zwei- bis achtminütige Sequenzen aufgenommen werden.

Nicht eingesetzt werden darf die Minikamera nach geltender Gesetzeslage in Privatwohnungen, Geschäftsräumen, Gaststätten oder ähnlichen Einrichtungen. „Das wäre aber wichtig“, findet Eisele. Gerade bei Hausstreitigkeiten wäre es oftmals gut, Zeugen zu haben. Er würde es deshalb befürworten, die Gesetze dementsprechend zu ändern, sagt der Polizeipräsident. „Dann würde sich die volle Schutzwirkung entfalten.“ Solange das aber nicht geschehen ist, müssen die Beamten vor dem Betreten einer entsprechenden Räumlichkeit die Kamera ausschalten. Wie praktikabel diese Vorgehensweise ist – etwa wenn eine fliehende Person in ein Gebäude rennt –, das müsse sich noch zeigen. „Das könnte ein Präzedenzfall werden“, mutmaßt Wadowski. Denn in solchen Situationen sei nicht die Aufnahme die Priorität des Polizisten, sondern der Einsatz. „Möglicherweise gibt es dann ein Verwertungsverbot.“

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Erstellt:
7. Juni 2019, 06:00 Uhr

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