Neue Notarztstandorte starten im Herbst

Ausbau der Notfallrettung im Kreis gut angelaufen – Gesamtpaket ist einmalig im Land und soll Hilfsfristen wieder ins Lot bringen

Erst kürzlich, in der Dienstagsausgabe, hat unsere Zeitung berichtet, dass die gesetzlich geforderten Hilfsfristen von Rettungsdienst und Notarzt in Baden-Württemberg – binnen 15 Minuten am Einsatzort zu sein und das in 95 Prozent der Fälle – oft nicht eingehalten werden können. Ein Problem, mit dem auch der Rems-Murr-Kreis seit Längerem zu kämpfen hat.

Auftakt für die Verbesserungen in der Notfallversorgung: Ab Oktober soll der Notarztwagen von Murrhardt aus im Einsatz sein, was DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler freut. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Auftakt für die Verbesserungen in der Notfallversorgung: Ab Oktober soll der Notarztwagen von Murrhardt aus im Einsatz sein, was DRK-Kreisgeschäftsführer Sven Knödler freut. Foto: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Besonders betroffen waren die nordöstlichen Kreisgebiete zwischen Murrhardt und Spiegelberg, sprich das Obere Murrtal. Landratsamt und der zuständige Bereichsausschuss haben Ende vergangenen Jahres reagiert. Nach einem Gutachten wurde ein großes Paket geschnürt, mit dem die Notfallrettung im Kreis ausgebaut wird: 55 zusätzliche Rettungskräfte, 5,5 weitere Rettungsfahrzeuge sowie neun Vollzeitstellen für die integrierte Leitstelle in Waiblingen. Um die Situation im Oberen Murrtal zu verbessern, wird in Welzheim und Murrhardt ein Notarztstandort eingerichtet. Bisher gibt es nur einen in Althütte, der in die Walterichstadt umzieht.

Allerdings ist es mit solch einem Plan nicht einfach getan, macht Landrat Richard Sigel klar. Denn eine Aufstockung bei Personal und Fahrzeugen bedarf auch einer der räumlichen Kapazitäten. In Waiblingen beispielsweise bemühe man sich seit rund fünf Jahren um Räume, habe aber noch nichts gefunden. Insofern freut sich Sigel, gleichzeitig DRK-Präsident im Rems-Murr-Kreis, umso mehr, was für den Standort Murrhardt erreicht werden konnte. Kreis, Stadt sowie Rettungsdienst haben im Schulterschluss eine gute Lösung gefunden. Der neue Stützpunkt des Notarztes wird in den Räumlichkeiten der Straßenmeisterei eingerichtet. Diese kann der Kreis als Eigentümer zur Verfügung stellen, da er die Kapazitäten dort reduziert hat und nur noch ein Teil des Standorts für den Winterdienst genutzt wird. „Wir wollten als Kreis auch ein Signal setzen und in die Bresche springen“, sagt Sigel.

Notarztstandort liegt direkt an der Landesstraße in Richtung Sulzbach

Stefan Hein, Dezernent für den Bereich Bauen, Umwelt und Infrastruktur, kam die Aufgabe zu, die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Beim Umbau heißt es nun, kurze, optimale Wege für Arzt, Fahrer und Fahrzeug einzurichten, beispielsweise mit einem Tor, das sich per Knopfdruck schon von innen öffnen lässt. Die Bedingungen müssen stimmen. „Es hilft einem ja nicht, wenn ein Wagen dann in einer unbeheizten Halle steht und die Medikamente gefroren oder Akkus wegen der Kälte entladen sind“, ergänzt der Landrat. Der Umbau am Standort in Murrhardt-Harbach für eine 24-Stunden-Besetzung mit Ruheraum und Sanitäranlagen läuft. Er ist auch deshalb von Vorteil, weil das Gebäude direkt an der Landesstraße1066 in Richtung Sulzbach liegt.

Auch das zusätzliche Personal – fünf Mitarbeiter – ist bereits verpflichtet. Wie Sven Knödler, DRK-Kreisgeschäftsführer, berichtet, war dies möglich, da das Rote Kreuz auf frisch ausgebildete Kollegen zurückgreifen kann. Beim Standort der Murrhardter Rettungswache in der Hörschbachstraße ändert sich zunächst nichts, perspektivisch ist aber die Zusammenführung in einer neuen, modernen Wache für das Obere Murrtal am Harbacher Standort geplant.

Murrhardts Bürgermeister Armin Mößner freut sich, dass der Notarztstandort Murrhardt zum 1. Oktober startklar sein soll. „Das ist für uns ein Quantensprung“, sagt er. Mit den Krankenhausschließungen in Backnang und Gaildorf seien die Wege weiter geworden. Den Verbesserungsbedarf bei den Fristen, den Murrhardt angemahnt habe, hätte dann auch das Gutachten bestätigt. „Ich bin sehr froh über das Nachsteuern. Für die Erstversorgung ist eine gute rettungsdienstliche und notärztliche Infrastruktur vor Ort von großer Bedeutung“, sagt Mößner. Nun könnte sich Althütte benachteiligt fühlen, da es den Notarztstandort an Murrhardt verliert. Doch die Expertenrunde erläutert, dass sich laut Gutachten die Versorgung mit dem zweiten Standort in Welzheim, der ebenfalls im Oktober seine Arbeit aufnehmen soll, auch für den Nachbarn qualitativ verbessert. „Wir haben den gesamten Landkreis im Blick“, betont Richard Sigel und erläutert, dass die Planung in Schorndorf ganz ähnlich läuft und in der Straßenmeisterei Räume für die Erweiterung des Rettungsdiensts zu Verfügung gestellt werden. In Sulzbach wurde der Rettungsdienst aktuell bereits auf 24 Stunden erweitert, wo die Malteser die Betreuung übernommen haben. An dieser Stelle spricht Sigel Sven Knödler ein großes Lob aus, der das Gespräch mit allen anderen Hilfsorganisationen gesucht habe, um in der Sache möglichst schnell voranzukommen.

Vom Beschluss des Bereichsausschusses bis zur Umsetzung in Murrhardt und Schorndorf haben die Verantwortlichen dann voraussichtlich weniger als ein Jahr benötigt. Das kann sich sehen lassen, findet Sigel. „Allerdings haben wir nicht an allen Standorten Kapazitäten“, sagt Knödler. Trotzdem hat man sich das Ziel gesetzt, die Planungen bis Ende 2020 zu realisieren. Schließlich hofft man so, auch die Hilfsfristen wieder entsprechend einhalten zu können. „Das, was wir hier als Gesamtpaket umsetzen, ist im Land einmalig“, sagt Richard Sigel. Gemessen am Mitarbeiterstamm wird beim Personal um rund 20 Prozent aufgestockt, hinzu kommen die Verbesserungen bei der Ausstattung. Auch mit Blick auf die gesamte Rettungskette braucht sich der Kreis nicht zu verstecken. Sven Knödler stellt fest, dass der in Sachen Ersthelfer sehr engagiert sei. Beim Projekt „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt“ gebe es Überlegungen, es auf Landesebene auszuweiten.

Info
Hilfsfristen

Für das Jahr 2018 wurde die Hilfsfrist von 15 Minuten bei der Notfallrettung im Kreis zu 93,4 Prozent (2017: 92,5 Prozent) und beim Notarzt zu 91,4 Prozent (2017: 92,5 Prozent) eingehalten. Die gesetzliche Vorgabe liegt bei 95 Prozent.

2014 lag sie bei den Rettungswagen mit 96,1 Prozent letztmalig im grünen Bereich, bei den Einsätzen der Notärzte war dies 2015 mit 95,3 Prozent der Fall.

Die Gründe für das Nichteinhalten sind vielfältig, zu ihnen zählen: kontinuierliche Zunahme der Einsätze, demografischer Wandel, mehr Bagatelleinsätze, Abnahme der Versorgung durch Hausärzte oder Bereitschaftsdienste sowie Veränderung der Kliniklandschaft.

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Erstellt:
11. Juli 2019, 16:00 Uhr

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