Obdachloser spendet Flaschenpfand
Der Sozialdienst katholischer Frauen nennt die Geste eines Obdachlosen „einzigartig“: Zu Weihnachten spendet er 200 Euro für alleinerziehende Mütter.
Von Jan Sellner
Stuttgart - Es gibt viele schöne Weihnachtsgeschichten. Diese dürfte zu den schönsten gehören: Sie handelt von „Schwalbe“, einem Obdachlosen aus Stuttgart, der vom Flaschensammeln lebt, und der jetzt – kurz vor Weihnachten – 200 Euro in einen Briefumschlag legte samt einem Zettel, auf dem Folgendes steht: „Meine geliebten Schwestern. Ich wünsch euch ein schönes HAPPY-BIRTHDAY-JESUS-Fest. Mit dem Geld sorgt bitte dafür, das 2 allein stehende Mütter ein etwas schöneres Fest haben (im Sinne von Jesus wie er gesagt hat: Lasst die Kinder zu mir kommen). Ich hab den Umschlag so gelassen, wie ich ihn gefunden hab, damit ihr in noch mal benutzen könnt. Schönen Gruß Schwalbe.“ Neben seinen Namen hat er ein kleines Herz gezeichnet, aus dem ein Kreuz wächst. Noch immer sprachlos blickt Svenja Gruß, Vorständin des Sozialdienstes katholischer Frauen der Diözese Rottenburg-Stuttgart auf diese Zeilen und auf diese Geschichte. „Wir hatten Tränen in den Augen“, sagt die 51-Jährige. Und sie berichtet: „Schwalbe“ habe diesen Brief vor wenigen Tagen bei Ordensschwester Nicola Maria im Haus der Katholischen Kirche eingeworfen. Diese habe den Sozialdienst über die Spende informiert, weil dieser sich um benachteiligte Frauen, Kinder und Familien kümmert. Dazu zählt auch eine alleinerziehende Mutter im Paulusstift. „Für sie kommt die Unterstützung zur rechten Zeit“, sagt Svenja Gruß.
Doch was für eine selbstlose Geste! Svenja Gruß nennt sie „einzigartig“. Vergleichbares habe sie noch nie erlebt, sagt sie. Der Sozialdienst hat auch gleich ausgerechnet, wie viele Flaschen und Dosen zusammengetragen werden müssen, um 200 Euro zu erhalten: „Bei Einweg-Plastikflaschen und -dosen mit 25 Cent Pfand sind es 800 Stück. Bei Mehrweg-Glasflaschen sind es rund 2500 Bierflaschen zu je 8 Cent oder 1330 Wasserflaschen zu je 15 Cent – eine enorme Leistung, die diese Geschichte noch beeindruckender macht.“
„,Schwalbes Spende‘ berührt uns tief – gerade weil er selbst kaum etwas hat und dennoch anderen in Not hilft“, sagt Schwester Nicola Maria. Svenja Gruß meint: „Seine Spende zeigt, dass echte Solidarität dort beginnt, wo Menschen einander im Blick behalten“. Beide Frauen kennen „Schwalbe“ aus Begegnungen in der Stadt. „Er sitzt oft auf einem Mäuerchen im Schlossgarten, liest Bücher und philosophiert“, sagt Gruß.
Die Vorständin hat „Schwalbe“ einen Brief geschrieben. Darin steht: „Es ist beeindruckend, mit wie viel Herz und Aufmerksamkeit Du an andere denkst. Durch deine Spende kann die alleinerziehende Mutter nun die dringendsten Dinge für ihr Baby bezahlen.“
Den Brief hat sie ihm persönlich übergeben und ihm von dem großen Echo berichtet, den seine Spende ausgelöst hat. „Die Meldung ist viral gegangen und hat in ganz Deutschland für bewegende Reaktionen gesorgt“, berichtet sie: „Viele Menschen haben sich gemeldet, die ihm zu Weihnachten etwas Gutes tun wollen.“ Darüber habe er sich gefreut und zugleich erklärt, dass er selbst nichts benötigt.“ Svenja Gruß zitiert ihn mit den Worten: „Ich habe, was ich brauche. Ich lebe bloß anders, das heißt nicht, dass es mir schlecht geht.“ Die Leute könnten das Geld dem Sozialdienst spenden, der das Geld dann an alleinerziehende Mütter in Not weitergibt. In dem Gespräch erklärte er auch, dass spenden für ihn nichts Ungewöhnliches sei. Er spende jedes Jahr, sagte er Svenja Gruß. Dafür sammle er Pfandflaschen und lege von dem Geld jeden Cent beiseite, den er nicht selbst benötige.
