Ricarda Lang lässt sich nicht einschüchtern

Die Grünen-Vorsitzende äußert sich zu den Vorfällen am Rande einer Veranstaltung in Schorndorf. Hass und Beleidigungen gehören für die Backnanger Bundestagsabgeordnete mittlerweile zum Alltag. Aber sie macht auch positive Erfahrungen.

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang ist regelmäßig Zielscheibe von Hass und Hetze. Foto: Imago

© IMAGO/Chris Emil Janßen

Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang ist regelmäßig Zielscheibe von Hass und Hetze. Foto: Imago

Von Kornelius Fritz

Schorndorf. Im Großen und Ganzen, sagt Ricarda Lang, habe sie am Mittwoch in der Schorndorfer Manufaktur einen sehr schönen Abend gehabt. Beim Politischen Aschermittwoch des Grünen-Kreisverbands Rems-Murr ging es um die bevorstehende Europawahl, um Kulturpolitik und um CDU-Chef Friedrich Merz. Auch der Abbau der Agrardieselsubvention kam zur Sprache. Dem Welzheimer Milchbauern Niko Kalaitzidis gaben die Grünen sogar spontan fünf Minuten Redezeit am Mikrofon – sozusagen als inoffizieller Sprecher der Landwirte, die vor der Halle protestierten. Anschließend bot ihm Ricarda Lang an, einen Tag lang auf seinem Hof mitzuarbeiten, um sich aus erster Hand über die Probleme der Landwirte zu informieren.

„Es war eine tolle politische Veranstaltung“, sagt Ricarda Lang rückblickend und bedauert es umso mehr, dass diese mit tumultartigen Szenen endete. Wie berichtet, wurde die Grünen-Vorsitzende, die auch Bundestagsabgeordnete im Wahlkreis Backnang/Schwäbisch Gmünd ist, beim Verlassen der Halle von einer Gruppe von etwa 40 Personen bedrängt und wüst beschimpft. Nur unter Polizeischutz konnte die 30-Jährige das Gelände verlassen. Neben Landwirten sollen an der Aktion auch Personen aus der Querdenker-Szene beteiligt gewesen sein. In einschlägigen Telegram-Gruppen war zur Teilnahme an der Protestaktion aufgerufen worden.

Ähnliche Vorfälle gab es in Ellwangen schon einmal

Es ist nicht das erste Mal, dass die Parteichefin von Demonstranten angepöbelt wurde. Ähnliche Vorfälle hatte es etwa im September 2022 am Rande einer Veranstaltung in Ellwangen gegeben. Bei öffentlichen Auftritten wird die Politikerin deshalb stets von Personenschützern begleitet. Noch extremer ist der Hass im Internet, wo Ricarda Lang täglich persönlichen Anfeindungen und Beleidigungen ausgesetzt ist. Selten geht es dabei um Politik, dafür umso häufiger um ihr Äußeres.

Die schlimmsten Fälle bringt Lang mittlerweile zur Anzeige, um klar zu machen, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist. Aber wie steckt die 30-Jährige die permanenten Angriffe auf ihre Person weg? Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Ricarda Lang, sie habe grundsätzlich Verständnis für die Proteste gegen die Ampelregierung. Auch ihre Partei habe sicher nicht alles richtig gemacht. „Protest ist legitim und in einer Demokratie ein hohes Gut.“

Dort, wo Menschen beleidigend oder gar gewalttätig werden, sieht sie aber eine Grenze überschritten und versucht, solche Angriffe nicht an sich heranzulassen. „Ich will diesen Menschen, die verletzen und persönlich werden, weder meine Zeit noch meine Aufmerksamkeit schenken.“

Sorge um Anfeindungen auch im Ehrenamt

Zumal sie im Alltag auch ganz andere Erfahrungen macht. Dort kann sie sich auch ohne Personenschützer nach wie vor frei bewegen, Zug fahren, einkaufen oder mit ihrem Freund ins Kino gehen. „Da gibt es auch mal jemanden, der eine rotzige Bemerkung macht, aber diese Form von organisiertem Hass erlebe ich da überhaupt gar nicht“, erzählt die Politikerin, die in Nürtingen aufgewachsen ist.

Vorfälle wie in Biberach oder Schorndorf machen Ricarda Lang allerdings Sorgen: „Was dort passiert ist, ist kein Problem für Einzelne, sondern das ist ein Problem für die Demokratie als Ganzes“, erklärt sie. Dabei denkt sie vor allem auch an die vielen Ehrenamtlichen, die sich kommunalpolitisch engagieren und ebenfalls häufig Opfer von Hass und Anfeindungen werden. Deren Einsatz hält die Grünen-Chefin für besonders wichtig und möchte gerade auch junge Frauen dazu ermutigen, sich vor Ort politisch zu engagieren.

Andere haben sich solidarisch gezeigt

Der Frust und der Hass, die sich nun auch in den Protesten entladen, seien wohl oft mit einem Gefühl der Ohnmacht verbunden, vermutet Lang. „Aber in der Demokratie ist man nicht ohnmächtig. In einer Demokratie hat man die Möglichkeit, Dinge, die einen stören und einen vielleicht auch mal wütend machen, zu verändern, gehört zu werden, sich einzubringen.“ Das zu tun, könne sie jedem nur empfehlen.

Auch sie selbst will weitermachen und sich von Szenen wie in Schorndorf nicht einschüchtern lassen: „Deshalb ist für mich auch an solchen Tagen klar: Ich weiche nicht. Angst ist am Ende keine Option.“

Was ihr Mut macht, ist der Zuspruch, den sie auch von Politikern anderer Parteien erhalten hat: „Ganz viele Leute unterstützen einen und zeigen sich solidarisch. Das heißt, man steht nicht allein in einer solchen Situation.“ Bei der Grünen-Veranstaltung in Schorndorf saß beispielsweise der Großerlacher Bürgermeister Christoph Jäger, seines Zeichens CDU-Mitglied, mit am Tisch. Über die Pöbeleien gegen Ricarda Lang kann er nur mit dem Kopf schütteln: „Ich bin nicht immer ihrer Meinung, aber sie engagiert sich doch für unser Land.“ Dafür habe sie Respekt verdient.

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Erstellt:
17. Februar 2024, 06:00 Uhr

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