Ursel und Ernst Kress feiern diamantene Hochzeit

Er, der gefürchtete Torjäger aus dem hohen Norden, lernt sie, die hübsche Wirtstochter aus Backnang, vor 63 Jahren im Zug zu einem Auswärtsspiel der TSG kennen. Vor 60 Jahren heirateten Ursel und Ernst Kress. Das Wichtigste ist ihnen die Familie.

Vor 60 Jahren gaben sich Ursel und Ernst Kress auf dem Standesamt das Jawort, einen Tag später in der Kirche. Foto/Repro: Alexander Becher

© Alexander Becher

Vor 60 Jahren gaben sich Ursel und Ernst Kress auf dem Standesamt das Jawort, einen Tag später in der Kirche. Foto/Repro: Alexander Becher

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. „Ich bin so froh mit unserer Familie“, sagt Ernst Paul Erwin Kress und ist vor allem sehr glücklich darüber, dass die beiden Söhne und die vier Enkeltöchter alle auf eigenen Beinen stehen. Und dass sie alle gut miteinander auskommen.

Dass ihm und seiner Frau die Familie so sehr am Herzen liegt, blitzt immer wieder hervor. Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe, das haben sie stets gelebt und auch ihren Kindern so weitervermittelt. Kein Wunder, dass im Ess- und im Wohnzimmer viele Familienbilder hängen. Auch ganz alte sind dabei, schon etwas verblichen, aber immer noch gut zu erkennen.

„Ich bin eine echte Backnangerin“, darauf ist Ursel Kress stolz. In der Sulzbacher Straße ist sie geboren, nun lebt das Jubiläumspaar nur ein paar Straßen weiter, mit wunderschöner Aussicht auf die Stadt und mit bunten Frühlingsblumen im Vorgarten. An den Farben und den nun mutig sich zeigenden Blüten erfreut sich die ehemalige Wirtin des bekannten Gasthauses Scholpp. 14 Jahre war sie alt, als die Eltern die Gaststätte aufgemacht haben. 1955 war das gewesen. Erst gut ein Jahr vorher war Ernst Kress mit Mutter und Geschwistern aus dem Norden an die Murr-Metropole gezogen.

Eigentlich stammt seine Familie aus dem Kreis Niederstettin in Niederpommern. 1945 mussten sie fliehen, waren am 31. Januar ausgerechnet in Swinemünde und bekamen mit, wie das Flüchtlingsschiff Wilhelm Gustloff versenkt wurde. Er war damals erst fünf Jahre alt, das jüngste von drei Kindern.

Auf einer Zugfahrt treffen die beiden sich zum ersten Mal

Im März 1946 fand die Familie zunächst eine neue Heimat in Reinbek bei Hamburg. Doch Ende 1953 ging es ins Schwabenländle, der Süden lockte mit Arbeitsangeboten für die älteren Geschwister. „Wir haben uns auch gefragt: Wo liegt denn Backnang?“, erinnert sich Ernst Kress schmunzelnd.

Schnell fand der fußballbegeisterte Junge Anschluss, spielte von 1954 bis 1961 beim FC Victoria, wechselte dann zur TSG Backnang Fußball und erspielte sich einen guten Ruf als gefürchteter Torjäger.

Einziges Manko: die Busfahrten zu den Auswärtsspielen. Da bevorzugte er denn doch das Reisen im Zug. Privat betrachtet war das jedoch sein Glück. Denn im Zug war es, als er 1959 die Bekanntschaft einer hübschen jungen Backnangerin machte. Ursel Kress erinnert sich: „Er hat mir gleich gefallen!“ Und das, obwohl oder vielleicht auch weil er, im Gegensatz zu seinen Kameraden, eigentlich gar nicht viel sagte.

Ehepaar Ursel und Ernst Kress.

© Alexander Becher

Ehepaar Ursel und Ernst Kress.

Auch wenn er zunächst etwas zögerlich wirkte, muss sie doch einen guten Eindruck auf ihn gemacht haben, denn die beiden fanden schließlich zusammen. Wobei die Verlobung zunächst ganz pragmatische Gründe hatte. Mutter Scholpp plante 1962 nämlich eine Reise in die USA. In ihrer Abwesenheit Herrenbesuch? Undenkbar! „Da kommt der Kerle ins Haus und die sind nicht einmal verlobt!“, erinnert sich Ursel Kress an die möglichen Vorbehalte der Umgebung und lacht. Am 22. März 1963 gaben sich Ursel und Ernst Kress dann auf dem Standesamt das Jawort, einen Tag später in der Matthäuskirche Backnang, die damals noch ganz neu war.

1970 übernahmen sie die Gaststätte Scholpp

Ernst Kress war weiterhin im Fußball erfolgreich, wurde sogar in einer Saison Torschützenkönig. Doch ein Angebot aus Reutlingen lehnte er ab. Dazu war ihm die Familie mit mittlerweile zwei Söhnen zu wichtig. 1970 war für die Familie Kress dann ein einschneidendes Jahr, denn da übernahmen Ernst und Ursel Kress die Gaststätte Scholpp. Noch heute wundert er sich, dass sie so erfolgreich damit waren. Immerhin hatte er als gelernter Schreiner eigentlich keine Ahnung vom Beruf des Wirts. Dennoch gehörte er mit zum Gründungsteam des Backnanger Straßenfests und war jahrelang fester Bestandteil desselben. Die Gaststätte, eine Institution der schwäbischen Küche, betrieb das Ehepaar bis 1998, dann übergaben sie an den Sohn.

Auch wenn es vielleicht mal hinter den Kulissen geknirscht haben mochte: „Im Lokal hat keiner was gemerkt“, erzählt Ernst Kress. „Die Familie hat immer zusammengehalten.“ Beiden war es immer wichtig, gemeinsam mit den Kindern und später auch mit den Enkeltöchtern in den Urlaub zu fahren, auch wenn das Geld mal knapp sein mochte. Die gemeinsame Zeit war es ihnen stets wert.

Jahrzehntelange Leidenschaft für Elvis verbindet das Paar

Und dann verbindet sie noch eine jahrzehntelange Leidenschaft – beide sind bekennende Elvis-Fans. Früher haben sie gemeinsam zu seiner Musik getanzt. Ihr Lieblingsstück ist „Good Luck Charm“. „Das ist schon für die Beerdigung gebucht“, sagt sie lachend. Der Besuch in Graceland war in den 1990er-Jahren ein Highlight für Ursel Kress, die übrigens seit den 1970er-Jahren eifrig Promis sammelt. Insgesamt 123 Fotos, vor allem mit musikalischen Künstlern, hat sie im Repertoire, Collagen davon hingen früher auch im Lokal. Auf ihrem Lieblingsfoto ist sie mit Rock’n’Roll-Legende Fats Domino zu sehen. Rückblickend meint Ernst Kress: „Man hat im Leben viel gemacht. Aber immer zusammen. Die Familie ist das Wichtigste.“ Und Ursel Kress ergänzt dankbar: „Wir sind mit allen gut.“

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Erstellt:
22. März 2023, 11:30 Uhr

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