Weissach sucht dringend Wohnraum für Geflüchtete
65 bis 70 Asylbewerber und Geflüchtete aus der Ukraine sollen in diesem Jahr in der Tälesgemeinde unterkommen. Doch rund 40 Plätze fehlen.
Von Melanie Maier
Weissach im Tal. Mit der Aufnahme von 66 Asylbewerbern und Geflüchteten aus der Ukraine hat die Gemeinde Weissach im Tal ihre Aufnahmequote im vergangenen Jahr vollständig erfüllt. Damit seien allerdings aktuell auch sämtliche Unterkünfte belegt, berichtete Jennifer Reinert, die in Weissach für das Integrations- und Flüchtlingswesen zuständig ist. In der jüngsten Gemeinderatssitzung gab sie einen Rückblick auf die Unterbringung 2023 und eine Vorausschau auf das laufende Jahr.
Insgesamt seien 2023 genau 77 Personen in die Tälesgemeinde gekommen: 58 aus der Ukraine (davon 52 Sinti und Roma), 14 aus Syrien, fünf aus der Türkei. Elf weitere Personen seien aufgenommen worden, um einen Rückstand aus dem Jahr 2022 auszugleichen, erklärte Jennifer Reinert. Die vorläufige Quote für 2024 liege bei 31 Asylbewerbern „plus eine unbekannte Anzahl an Ukrainern – das ändert sich alle zwei Wochen“, so Reinert. „Wir rechnen dieses Jahr wieder mit 65 bis 70 Personen.“ Die freien Plätze vor Ort seien allerdings sehr knapp – momentan fehlen noch um die 40.
Daniel Bogner (Bürgermeister): „Bisher haben wir uns immer irgendwie über Wasser halten können. Aber es kann sein, dass wir schon dieses Jahr an unsere physischen Grenzen stoßen.“
Zwei von der Gemeinde neu erworbene Immobilien, die Backnanger Straße 34 (mit Raum für zirka 13 Personen) und die Stuttgarter Straße 18 (12 bis 14 Personen), können aufgrund von derzeit nicht verfügbaren Dienstleistern wie Sanitäts- und Heizungstechnikern erst Ende des Jahres beziehungsweise 2025 umgebaut werden. Eine Wohnung in der Friedensstraße 10 (zirka sieben Personen) muss noch ausgeräumt und renoviert werden. Zudem steht ein Ergebnis des Nachlassgerichts aus. Eine weitere Wohnung, Kirchberg 9 (etwa fünf Personen), wird vermutlich zum 1. April frei.
„Wir brauchen dringend privaten Wohnraum für bereits integrierte Familien“, betonte Jennifer Reinert. Es gebe einige Personen, die schon vier bis sechs Jahre in Weissach leben und keine Privatwohnung finden würden, stattdessen in einer Obdachlosenunterkunft wohnen müssten. Besonders schwierig sei es für Familien mit mehr als zwei Kindern und für Frauen, die Kopftuch tragen. Ihnen würden oft mehr Vorurteile entgegengebracht, sagte Reinert.
„Bisher haben wir uns immer irgendwie über Wasser halten können. Aber es kann sein, dass wir schon dieses Jahr an unsere physischen Grenzen stoßen werden“, sagte Bürgermeister Daniel Bogner angesichts der angespannten Lage.
Gemeinderat Markus Gentner (CDU/FWV) erkundigte sich nach der Unterbringung Geflüchteter in der Welzheimer Straße. Jennifer Reinert erklärte, dass das Gebäude, in dem derzeit über 30 Personen wohnen, nicht der Gemeinde gehöre, sondern vom Landkreis errichtet wurde. Dafür habe es vom Kreis eine Anrechnung auf die Aufnahmequote gegeben, fügte Bogner an.
Wie kann man leer stehende Gebäude vermitteln?
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Timo Hirzel (CDU/FWV) fragte nach, ob es nicht denkbar sei, wie in Backnang eine Wiedervermietungsprämie für Hauseigentümer zu nutzen, um leer stehende Wohnungen zu vermitteln. In Backnang können Vermieter, die eine Wohnung wieder auf den Markt bringen, seit 1. Juli 2023 bis zu 1600 Euro Prämie vom Land Baden-Württemberg kassieren. Sein Fraktionskollege Carl Höfer sprach sich ebenfalls für die Wiedervermietungsprämie aus. „Weil man dabei nur Landesmittel weitergibt, würde uns das gar nichts kosten“, verdeutlichte er. Zudem könne man so auch etwas gegen den Leerstand tun. Das wäre sicher ein Thema, über das man diskutieren könne, fand Bogner. Auch öffentliche Aufrufe im Weissacher Nachrichtenblatt solle es wieder geben, „das hat immer gut funktioniert.“ In Weissach im Tal gebe es generell eine sehr gut private Unterbringung.
Jan Hutzenlaub (LWB) schlug vor, im Nachrichtenblatt darüber hinaus Erfolgsgeschichten von gut integrierten Geflüchteten in Weissach zu erzählen, um der Sache ein wenig das Stigma zu nehmen.
Thomas Heller (UBL) machte dagegen auf Probleme aufmerksam. „Ich wohne gegenüber einer Flüchtlingsunterkunft, ich kenne auch die andere Seite“, sagte er und berichtete von lauter Musik, Vermüllung und Grillpartys, bei denen mit bis zu zwei Meter hohen Flammen direkt unter einem Baum gegrillt worden sei. Sie habe mit der betroffenen Familie gesprochen, beschwichtigte Jennifer Reinert: „Ich glaube, sie haben das Problem verstanden.“
Was denn passieren würde, wenn die Gemeinde an ihre Grenzen stoßen würde, wollte Wilhelm König (UBL) wissen. Es gebe schon Initiativen, die auf das Problem aufmerksam machen würden, antwortete ihm Jennifer Reinert. Bisher aber ohne Erfolg. Man könnte versuchen, so Daniel Bogner, die zwei neu erworbenen Immobilien teils selbst fertigzustellen, um eine Teilbelegung zu ermöglichen – so wie es bereits in einer Oberweissacher Wohnung mit Unterstützung des Vereins „Hands for Help“ passiert sei. „Das würde den Druck vielleicht ein bisschen mindern“, hoffte er. Oliver Fiechtner (CDU/FWV) schlug vor, den einen oder anderen Handwerker im Ort direkt anzuschreiben, um die Umbaumaßnahmen schon etwas früher angehen zu können. Bogner versprach, alle Anregungen aus dem Gemeinderat aufzunehmen.