Anpacken, auch mit achtzig
Andrey Paounovs Dokumentarfilm über Christos „Floating Piers“
Künstlerporträt - Andrey Paounov dreht eine Doku über Christos „Floating Piers“.
Stuttgart Immer gibt es Probleme: mit dem Computer, mit dem Mikrofon und mit den Ketten, die die ganze Konstruktion zusammenhalten sollen. Die Geschichte von Christos Projekt einer schwimmenden Brücke auf dem Iseo-See im Jahr 2016 ist eine Geschichte überwundener Hindernisse. Der kleinen wie der großen. So jedenfalls erzählt es Andrey Paounov in seiner gelungenen Dokumentation „Christo – Walking on Water.“ Über achtzehn Monate hat der Regisseur, wie Christo aus Bulgarien stammend, das Entstehen des Mammutwerks begleitet. Die Kamera schaut dem berühmten Verpackungskünstler in seinem New Yorker Atelier ebenso über die Schulter wie beim Aufbau der Pontonbrücke auf dem oberitalienischen See.
Das Besondere an dem Film ist, dass er sich nicht damit aufhält, ästhetische Deutungen oder theoretische Hintergründe auszuphilosophieren. Paounov zeigt die Praxis. Christo erscheint als vitaler Macher und Teamchef, der unermüdlich in roter Funktionsjacke und Gummistiefeln umherstapft, hier kontrolliert, dort delegiert. Ein Perfektionist, keine Frage. Jeder Zentimeter des ringelblumengelben Stoffes muss sitzen. Auch mit seinen damals schon über achtzig Jahren hängt Christo riesige Bilder allein auf oder packt mit an, wenn es gilt, Bauteile zu verschieben. Kunst ist Arbeit. Und wie überall bei der Arbeit wird auch hier viel geschimpft und gestritten. Vor allem Christos robuster Oberassistent Vladimir weiß sich durchzusetzen. Nicht viel hätte gefehlt, und das Wortgefecht mit einem italienischen Funktionär wäre in einer Prügelei geendet. Der unerwartete Besucheransturm, ein heftiges Gewitter am See, ein verschwundenes Kind – all das sorgt für rasante Momente, die eher an einen Actionfilm als an ein Künstlerporträt erinnern. Die Spannung löst sich erst zum Schluss, als Christo in den Himmel über der Lombardei entschwebt, um sein Werk von oben zu betrachten. Spätestens jetzt weiß er: Es hat sich gelohnt, trotz der Probleme.