Ökohorror auf der Burg Reichenberg

Axel Stelzmann aus Allmersbach im Tal studiert Filmproduktion in Stuttgart und hat im Rahmen seiner Bachelorarbeit einen Horrorstreifen mit dem Titel „Nightwalker“ produziert. Die einwöchigen Dreharbeiten fanden auf der Burg Reichenberg und in Althütte statt.

Tödliche Begegnung: Ein riesiges Insekt macht im Film „Nightwalker“ den Hauptfiguren das Leben schwer. Foto: privat

© Axel Stelzmann

Tödliche Begegnung: Ein riesiges Insekt macht im Film „Nightwalker“ den Hauptfiguren das Leben schwer. Foto: privat

Von Kai Wieland

Allmersbach im Tal. Adrian, Alice, Manfred und David gehören zu den letzten Überlebenden der Menschheit, nachdem klimatische Veränderungen die Erde in einen lebensfeindlichen Planeten verwandelt haben. Auf ihrer Suche nach einer neuen Heimat müssen sie sich aber nicht nur mit der sengenden Sonne, sondern auch mit einem mörderischen Insekt herumschlagen.

Offensichtlich ist „Nightwalker“ nicht gerade ein Feelgood Movie. Der etwa 21 Minuten lange Streifen ist Teil der Bachelorarbeit des Filmstudenten Axel Stelzmann aus Allmersbach im Tal und wird von diesem als ein moderner Vertreter des „Ökohorrors“ bezeichnet – eines Filmgenres, das sich vor allem in den 1970er-Jahren großer Beliebtheit erfreute und in dem der Mensch die Zeche für seinen achtlosen Umgang mit der Natur zahlen muss. Bei „Nightwalker“ sind es die Folgen des Klimawandels, welche auf die Spitze getrieben werden.

Axel Stelzmann aus Allmersbach beendet in diesem Frühjahr sein Filmstudium. „Nightwalker“ ist sein zweiter Kurzfilm. Foto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Axel Stelzmann aus Allmersbach beendet in diesem Frühjahr sein Filmstudium. „Nightwalker“ ist sein zweiter Kurzfilm. Foto: Alexander Becher

Nach dem Kurzwestern „Dolton“, der im vergangenen Jahr als Eröffnungsfilm des Jugendfilmpreises Baden-Württemberg lief, ist es bereits die zweite Produktion des 22-Jährigen. Dabei ist er noch gar nicht lange im Geschäft. Noch im Frühjahr 2020, als die Coronapandemie über die Welt hereinbrach und Axel Stelzmann gerade für sein Abitur am Bize büffelte, gingen seine Berufspläne allenfalls vage in Richtung „kreativ“ und „etwas mit Medien“. Erst der viele Leerlauf während der Lockdowns brachte ihn auf den Geschmack. „Ich fing an, mir all die Filme anzuschauen, von denen es heißt, dass man sie mal gesehen haben muss“, erklärt Stelzmann. Pro Tag habe er sich zwei bis drei Filme angesehen, ohne sich vorab mit Inhalt, Genre oder Entstehungszeit zu befassen. „Ich habe alles durcheinander geschaut und bin so auf Themen und Genres gestoßen, von denen ich noch nie gehört hatte.“ Besonders Eindruck machten auf ihn düstere Thriller wie „Oldboy“ und „Fight Club“ oder auch die Filme von Stanley Kubrick. Damit waren die Weichen für den weiteren Werdegang gesetzt: Im folgenden Frühjahr begann Stelzmann am SAE Institute, einer Privatschule in Stuttgart, sein Studium im Fach Digital Film Production.

Drehbuch, Regie und viel Organisation

Kamera, Lichtaufbau, Schnitt, Effekte – das Studium sei breit angelegt, sodass man sich nach dessen Abschluss theoretisch im Bereich Film selbstständig machen könnte, erklärt Stelzmann. Diese Kenntnisse musste er auch bei der Umsetzung von „Nightwalker“ unter Beweis stellen. „Ich habe gemeinsam mit einem anderen Studenten die Produktion gemacht, habe das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und den Schnitt gemacht“, so der Filmstudent. Gedreht wurde im September vergangenen Jahres eine Woche lang vorwiegend auf der Burg Reichenberg in Oppenweiler, eine Szene wurde außerdem bei Althütte umgesetzt. „Ich habe alle möglichen Burgen in Baden-Württemberg angefragt. Von der Burg Reichenberg und vom Schloss Ebersberg habe ich positive Antworten bekommen.“ Die Burg Reichenberg habe sich atmosphärisch besser geeignet, weil er dort bei der Besichtigung einen urig anmutenden Gebäudeteil vorgefunden habe, der zudem recht frei genutzt werden durfte. „Die waren da wirklich sehr offen dafür“, sagt Stelzmann.

Die Suche nach einem geeigneten Drehort lässt bereits erahnen, worin ein wesentlicher Teil der Produktionsarbeit besteht: Organisation und Koordinierung des vielköpfigen Teams. Von der Regieassistenz über den Oberbeleuchter bis hin zum Sounddesigner: An Stelzmanns Set gab es viele, übrigens unbezahlte Helfer. Überwiegend handelte es sich dabei um andere oder kürzlich graduierte Studenten. „Es ist ein Geben und Nehmen, man hilft sich gegenseitig bei den Projekten aus“, erklärt er. Auch die Schauspieler erhielten keine Gage, obwohl darunter durchaus Akteure mit Erfahrung waren, etwa der Berliner Fred Aaron Blake, der bereits Auftritte in Filmen wie „Er ist wieder da“ oder „Känguru-Chroniken“ vorzuweisen hat. „Ich versuche immer, professionelle Schauspieler zu bekommen“, sagt Stelzmann. „Für eine kleine Nebenrolle kann man auch mal Leute aus dem privaten Kreis fragen, aber wenn man einen Film von 20 Minuten dreht und jemand in fünf davon zu sehen ist, fällt das schon irgendwann auf, wenn es kein professioneller Schauspieler ist.“ Der Kontakt zu Blake sei bereits bei „Dolton“ entstanden, weil der Schauspieler einfach Lust gehabt habe, einmal in einem Western zu spielen. „Das war natürlich ein Glücksfall für mich.“

Organisations- und Improvisationsfreude gehören zum Filmen dazu

Damit alle Beteiligten für ihre Hilfe zumindest nicht auch noch drauflegen müssen, bemüht sich Stelzmann, die Fahrtkosten und die Verpflegung zu übernehmen, wofür er sich an lokale Firmen wendet. „Für die jetzigen Dreharbeiten haben wir zum Beispiel bei der Mensa im Bize angefragt und das Essen zum Schülertarif bekommen. Und bei einer Bäckerei in Allmersbach konnten wir abends die unverkauften Brötchen haben.“ Eine Filmförderung, welche die Finanzierung natürlich entspannen würde, sei für Privatpersonen leider kaum zu bekommen, erklärt Stelzmann. „Da hat man eigentlich nur eine Chance, wenn man über eine staatliche Schule anfragt.“

Ist der ganze organisatorische Part bewältigt, kann Stelzmann sich um das kümmern, was ihm neben dem Drehbuchschreiben eigentlich Freude macht: Regie führen. Wobei eine gewisse Organisations- und Improvisationsfreude sowieso dazugehört. „Man muss vom Plan vor Ort eigentlich immer abweichen“, verrät der Filmstudent. „Es gab zum Beispiel einen sehr langen Gang, der schwierig zu beleuchten war, zumal wir die Fenster wegen der Handlung zustellen mussten. Und in einem anderen Raum lief wohl irgendeine Leitung, da hatten wir Probleme mit dem Ton.“ Gerade bei Letzterem sei oft Spontaneität gefragt, da der Ton zwar sehr wichtig für den Film sei, bei der Planung aber meist eher darauf geachtet werde, wo die Kameras und die Lichter stehen. „Der Tonmann ist meistens der, der sich irgendwie dazwischenquetschen muss“, sagt Stelzmann schmunzelnd.

Einstieg in die Filmbranche ist schwierig

Nach rund einem Jahr Produktion ist „Nightwalker“ nun fertig, Anfang März hat Stelzmann seine Bachelorarbeit abgegeben. Das Tüfteln am Film ist damit aber noch nicht ganz beendet. „Ich arbeite noch an einigen Effekten und technischen Dingen, weil ich den Film wieder bei Festivals einreichen will.“ Aus diesem Grund sind bislang auch weder „Dolton“ noch Stelzmanns neues Werk online abrufbar, wenngleich eine Veröffentlichung irgendwann angedacht ist. „Die Festivals wollen die Filme exklusiv zeigen. Wenn man sein Material schon vorher hochlädt, nimmt man sich damit die Chancen“, erklärt der Allmersbacher.

Mit Abgabe des Films ist Stelzmanns Studium fast abgeschlossen. Ab Herbst wird er bei einer Fellbacher Firma sogenannte E-Learnings, also Lernfilme, produzieren, um den Einstieg in die Branche zu schaffen. „Es ist schwierig, direkt beim Film zu landen“, sagt er. „Langfristig würde ich aber schon gerne narrative Filme oder Serien machen.“

Blick auf die Oscar-Verleihung

Show und Personenkult „Ich bin kein großer Fan der Verleihung, weil es sehr um die Personen und die Show geht anstatt um die Filme“, sagt Axel Stelzmann. „Ich schau’ schon nach, wer nominiert ist und gewinnt, aber ich verfolge nicht die Zeremonie.“

Favorit Von den Nominierten für den besten Film habe er etwas mehr als die Hälfte gesehen, sagt der Filmemacher, „Poor Things“ sei sein Favorit. „Ich glaube aber, dass ‚Oppenheimer‘ gewinnt.“

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Erstellt:
9. März 2024, 06:00 Uhr

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