Zehn Jahre Bandhaus in Backnang: „Wir wollten der Stadt eine Bühne geben“

Seit April 2013 leiten Jasmin Meindl und Juliane Putzmann das Bandhaus-Theater in Backnang. Seit zehn Jahren verwöhnen sie ihr Publikum mit einem vielfältigen Angebot. Es reicht von Eigenproduktionen mit Amateurdarstellern über große Freilichtstücke bis hin zu Theaterfestivals.

Jasmin Meindl (links) und Juliane Putzmann verbindet nicht nur die Arbeit, sondern auch ihre Freundschaft. Archivfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Jasmin Meindl (links) und Juliane Putzmann verbindet nicht nur die Arbeit, sondern auch ihre Freundschaft. Archivfoto: Alexander Becher

Frau Meindl, Frau Putzmann: Zehn Jahre Bandhaus-Theater – hätten Sie anfangs gedacht, dass sich Ihre Spielstätte zu einer solchen Institution in Backnang entwickeln würde?

Meindl: Absehbar in der Form war es nicht, aber im Nachhinein kann man schon sagen, dass unser Konzept das Potenzial dazu hatte. Wir wollten der Stadt, ihren Menschen und Themen von Anfang an eine Bühne geben. Das Programm des Bandhaus-Theaters, das auch die Vernetzung mit Vereinen und Schulen beinhaltet, ist eine Art kultureller Fingerabdruck. Theaterarbeit kann sehr identitätsstiftend wirken. Und ich glaube, dass das auch den Erfolg ausmacht.

Putzmann: Ich denke, wir hatten immer ein ganz gutes Bauchgefühl und haben intuitiv vieles richtig gemacht. Wir hatten von Anfang an eine Vision und vieles hat sich genau in diese Richtung entwickelt.

Hatten Sie von Beginn an ein fertiges Konzept oder sind viele Ideen erst vor Ort, in Backnang, entstanden?

Meindl: Wir hatten ein sehr detailliertes Konzept. Vieles davon haben wir umgesetzt, manches hat sich in der Praxis nicht bewährt, anderes ist hinzugekommen. Wir haben das Konzept nach und nach an die Stadt angepasst. Von Freilichtaufführungen hatte ich aber nicht zu träumen gewagt.

Wenn Sie an die Anfänge zurückdenken: Würden Sie etwas anders machen?

Meindl: Freilich gab es Dinge, die wir heute nicht mehr durchgehen lassen würden – besonders im künstlerischen Bereich. Aus unserer Ausbildung haben wir den schönen Satz mit auf den Weg bekommen: Scheitern, immer besser scheitern. Die Fehler waren auch wichtig. Ich würde deshalb auch nichts anders machen wollen.

Putzmann: Es gab Entscheidungen, die ich aus der Unsicherheit heraus getroffen habe oder weil ich dachte: „Das muss nun so sein.“ Rückblickend hat es sich bewährt, sich selbst treu zu sein, auf das eigene Bauchgefühl zu hören. Aber wie Jasmin sagt: Man macht Erfahrungen und lernt daraus. Das gehört eben dazu.

Mit welchen Herausforderungen hatten Sie zu kämpfen?

Meindl: Es war immer das fehlende Geld, das uns ausgebremst und unter Druck gesetzt hat. Mit dem Zuschuss der Stadt bestreiten wir einen Anteil unserer Fixkosten. Der Rest und das künstlerische Programm müssen über Sonderförderungen finanziert, eingespielt und versteuert werden. Wir sind da einfach nie auf einen grünen Zweig gekommen. Aber welcher Kulturbetrieb tut das schon? Das Problem ist nur, dass wir für das finanzielle Risiko persönlich haften – unser Einkommen dieses Risiko aber niemals auffangen könnte. Wir hatten bisher Glück und haben gut kalkuliert. Vor allem aber sind wir sehr gut darin geworden, zusätzliche Gelder zu akquirieren.

Putzmann: Ja, das liebe Geld. Wobei uns die Not auch erfinderisch hat werden lassen. Aber ja, es geht auf Kosten der Nerven und der Gesundheit, wenn man vieles aufgrund des Personalmangels auffängt und oft den finanziellen Druck im Nacken hat.

Welche Stücke waren Ihre Highlights?

Meindl: Wenn ich mich entscheiden müsste, dann wäre es kein Stück, sondern „Vereinigt Euch!“, das Festival, das wir im Oktober 2020 organisiert hatten. Anlass war die Wiedervereinigung vor 30 Jahren. Für mich war das unsere beste Arbeit, weil es so spürbar war, was gute Kulturarbeit leisten kann, leisten muss: Brücken bauen, Räume für Begegnungen schaffen, um Vorurteile abzubauen und den Zusammenhalt zu stärken. Und das mitten in der Coronazeit, mit tausenderlei Auflagen und Befürchtungen. Aber unser Team aus Mitarbeitern und Ehrenamtlichen stand fest hinter uns. Da war ich schon sehr stolz auf uns alle.

Putzmann: Ach, das ist schwierig. Es ist, als müsste man sagen, welches seiner Kinder man am liebsten hat. Jedes Projekt und Stück für sich war wertvoll und schön. Alles zusammen ergibt ein tolles, spannendes und vielfältiges Gesamtbild.

Auf welche Projekte freuen Sie sich momentan besonders?

Meindl: Ich freue mich jetzt erst einmal auf die Premiere von „Romeo und Julia“. Juliane inszeniert dieses Wahnsinnsstück gerade mit der Bürgerbühne und ich bin ziemlich neugierig, weil sehr intensiv geprobt wird. Im Herbst, vom 6. bis 8. Oktober, probieren wir uns dann zum ersten Mal an einem Straßenkunstfestival aus, das wir – unterstützt von der Stadt – mit den Backnanger Partnerstädtevereinen aus Annonay, Bácsalmás und Chelmsford machen werden.

Putzmann: Natürlich auch die Shakespeare-Premiere. „Romeo und Julia“ ist ein zeitloser Stoff, der die Menschen seit jeher bewegt. Dann hat das Bandhaus-Theater dank der Unterstützung von der Stadt, Wolfgang Kaess und einer Förderung des Landesministeriums ab Mai auf dem Kaess-Areal eine zweite Spielstätte, die „Murrpott“ heißt und auch als Probebühne und Workshopraum fungiert. Zudem haben wir kulturelle Kooperationspartner, die den Raum nutzen und bespielen. Ich bin sehr gespannt, wie dieses neue Projekt anläuft und welche Synergien sich ergeben.

Die Entscheidung, das Bandhaus-Theater zu verlassen, ist Ihnen sicher nicht leichtgefallen, Frau Meindl. Was werden Sie vermissen? Und wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus?

Meindl: Juliane werde ich vermissen, unsere Zusammenarbeit. Wir konnten uns immer aufeinander verlassen. Und unser Team werde ich vermissen, den guten Geist, der unserem Theater innewohnt. Ich habe die besten Freunde in Backnang gefunden. Auch sie werde ich vermissen und die vielen Unterstützer und Förderer. Meine Zukunft liegt noch verborgen im Nebel, wirklich spruchreif ist nichts, aber es gibt einiges, was ich mir vorstellen kann.

Was wird sich nach dem Weggang Ihrer Kollegin verändern, Frau Putzmann?

Putzmann: Natürlich werde ich Jasmin sehr vermissen. Aber ich bin mir sicher, dass wir auch in Zukunft projektweise zusammenarbeiten werden. Uns verbindet unsere Arbeit, aber vor allem unsere Freundschaft. Der partizipative Ansatz und das theaterpädagogische Angebot waren schon immer mein Schwerpunkt. Ich möchte die Theaterferienkurse und die Junge Backnanger Bürgerbühne wieder beleben. Wir haben 2022 in Kooperation mit der Literatour eine Stunde zu Georg Büchner und Woyzeck für Abiturschulklassen erarbeitet. Es wurde zehnmal gezeigt und es kamen Schulen bis aus Waiblingen und Welzheim. Im Herbst zeigen wir es eine weitere Woche. Ich denke, das sollte ein wiederkehrendes Angebot zu den Sternchenthemen der Schulen sein. Ich möchte mit unserer Arbeit auch Menschen erreichen, die keine regelmäßigen Theatergänger sind. Theater sollte nichts Intellektuelles sein. Es muss berühren, Fragen aufwerfen, dazu einladen nachzudenken.

Was wünschen Sie sich für die kommenden fünf Jahre Bandhaus-Theater?

Putzmann: Dass es weiter ein lebendiger Ort der Begegnung ist. Dass es weiterwächst und wir als Team eine stabile, solide Kunst- und Kulturstätte am Laufen halten. Und dass Jasmin regelmäßig mit ihren großartigen Schreib- und Regiearbeiten zu Gast ist.

Wie feiern Sie beide das Jubiläum?

Meindl: Wir wurden zu einer Feier eingeladen, die die Backnanger Bürgerbühne organisiert. Und am Samstag werden wir ab 13 Uhr die Theatertüren öffnen und Kaffee und Kuchen ausgeben für alle, die mit uns feiern wollen (siehe Infotext).

Putzmann: Ich werde den einen oder anderen Sekt trinken.

Das Gespräch führte Melanie Maier.

Die Bandhaus-Leiterinnen und das Festtagsprogramm

Jasmin Meindl wurde 1975 in Regensburg geboren. Seit 2013 leitet die studierte Theaterpädagogin mit Juliane Putzmann das Bandhaus-Theater. Zuvor besuchte sie die Akademie für darstellende Kunst in Ulm und die Theaterwerkstatt Heidelberg. In den vergangenen 15 Jahren hat die Theatermacherin und Autorin viele Stücke geschrieben und teils selbst inszeniert, etwa das Stück „Clara Schumann – Die Patriarchin“.

Juliane Putzmann, Jahrgang 1988, ist im Allgäu aufgewachsen und hat viele Jahre in München gelebt, wo sie als Jugendliche das erste Mal mit dem Theaterspiel in Berührung kam. 2012 machte sie an der Theaterwerkstatt Heidelberg die Ausbildung zur Theaterpädagogin. Regelmäßig arbeitet sie mit Kindern und Jugendlichen an Schulen und inszeniert Stücke mit der Backnanger Bürgerbühne am Bandhaus-Theater.

Jubiläumsfeier Das Bandhaus-Theater lädt am Samstag, 29. April, von 13 bis 16 Uhr zu Kaffee und Kuchen ein. Gefeiert wird der zehnjährige Geburtstag des Bandhaus-Theaters, zu dem alle herzlich eingeladen sind. Zu sehen gibt es eine kleine Ausstellung im Foyer, die die Geschichte des Theaters nacherzählt. Ab 16 Uhr folgt eine Aufführung des Kinderstücks „Kasperl und der Thronfolger“ von Professor Pröpstls Puppentheater.

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Erstellt:
27. April 2023, 06:00 Uhr

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